Vor gut zwei Jahren tauchte die Planskizze eines Schießplatzes bei Gehersberg auf.

Sie stammt aus dem Nachlass des Postassistenten Josef Fink (1883 – 1959). Dieser war von 1904 bis 1906 Kriegsfreiwilliger in der damaligen deutschen Kolonie Südwestafrika (heute Namibia). Könnte das Ganze mit dem Arbeitsdienst oder dem Volkssturm im Jahr 1945 zusammenhängen? Aber in Ge­hersberg wusste niemand etwas über die Existenz eines Schießplatzes nahe des Dorfs.

Ein kürzlich bei ebay erworbenes Dokument brachte Licht ins Dunkel. Die Einwohnerwehr Tittling bean­tragte im Jahr 1920 die Errichtung eines Schießplatzes bei Gehersberg. Skizze und Dokument gehören zu­sammen!

Einwohnerwehren wurden deutschlandweit 1919 nach dem 1. Weltkrieg von den Bürgern gebildet. Die Nachkriegszeit war politisch unruhig und die demokratischen Strukturen nach dem Ende des Kaiserreichs noch fragil. Die Einwohnerwehren sollten vorrangig Aufgaben des lokalen Ordnungsdienstes im Zusammen­wirken mit der Polizei erfüllen und zentral gelenkt werden. In Bayern wurden Einwohnerwehren nach der Ermordung des bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner am 21. Februar 1919 und nach der Niederschlagung einer bolschewistischen Räterepublik gebildet. Die meisten dieser Einwohnerwehren gab es in Oberbayern. Jeder Angehörige einer Einwohnerwehr sollte mit einem Gewehr mit 50 Patronen ausgerüstet sein und die örtliche Einwohnerwehr mit einem MG mit 2.000 Patronen.

In Tittling ist ab 4. Januar 1920 die Existenz einer Einwohnerwehr nachgewiesen. Der stellvertretende Führer der E.W. Tittling, der Kaufmann Alois Streifinger (Herrenstraße 6) beantragte bei der Ortspolizeibehörde (Gemeinde) Tittling die Genehmigung eines Schießplatzes für die Einwohnerwehr. Dort, wo von der Ortszufahrt nach Gehersberg der Weg zum Blümersberg abzweigt, sollte Richtung Osten geschossen werden. Das Ziel war im Gföhrerl geplant, einem kleinen Wäldchen. Während des Schießbe­triebs sollten Posten den Bereich absichern.

Die Gemeinde reichte den Antrag mit einer positiven Bemerkung an das Bezirksamt (heute Landratsamt) weiter. „Der Schießplatz liegt abseits einer Straße und wird an eine ansteigende Waldwand angeschos­sen. Der Platz eignet sich sehr gut.“ Unterschrift von Hans Habereder, zur damaligen Zeit noch 2. Bürgermeister.

Im Mai 1920 wandte sich das Bezirksamt Passau an die Gemeinde: Ist der Eigentümer des Waldes mit dem Vorhaben einverstanden? Der Führer der E. W. soll sich äußern, wie der „Anzeiger“ (Melder des Schießer­gebnisses) geschützt werden soll. Kommen noch weitere Grundbesitzer in Betracht und wie stehen diese zum Vorhaben? Der Führer der Einwohnerwehr, der Postassistent Josef Fink meldete: Als Schutzmaßnahme für den Anzeiger wurde eine Grube mit Sitzgelegenheit neben den Steinblöcken ausgehoben. Mit dem ausgehobenen Erd­reich wurden die Zwischenräume zwischen den Felsblöcken ausgefüllt, sodass genügend Sicherheit für den Anzei­ger besteht.
Wachtmeister Mittermeier aus Tittling nahm Rücksprache mit den drei betroffenen Eigentümern des fragli­chen Waldstücks. Diese hatten nichts gegen die Errichtung einer Schießstätte einzuwenden.

Am 15. Juli 1920 stellte das Bezirksamt die Frage, ob ein Kugelfang vorhanden ist und welche Ausmaße er hat. Fünf Tage später meldete der Bezirksbaumeister Buhmann nach der Besichtigung der geplanten Schießstätte: Der Platz ist geeignet. Doch sind die Absperrmaßnahmen und Sicherungen für den Zieler bei jedem Schießen genau durchzuführen.

Leider endet hier das vierseitige Dokument. Über den Fortgang des Genehmigungsverfahrens und das Ender­gebnis kann nur spekuliert werden. In dieser Zeit wurden die Einwohnerwehren in Deutschland auf Intervention der Siegermächte verboten. Diese sahen in den Einwohnerwehren unzulässige Militärformationen. In Bayern wurden diese Einwohner­wehren Mitte 1921 aufgelöst. Wahrscheinlich wurde das Vorhaben wegen der absehbaren Auflösung der Einwohnerwehren nicht mehr weiterverfolgt.

HZ 2023