Bevor an Universitäten ausgebildete Ärzte nach Tittling kamen, gingen die Kranken zum Bader,

"Chirurgen" oder versuchten es mit altbekannten Hausmitteln. Auch danach waren Bader und Chirurgen noch längere Zeit tätig und gefragt.
Die Ärzte hatten große Gebiete zu versorgen und waren in der Geburtshilfe tätig. Im nördlichen Altlandkreis Passau gab es nur drei, manchmal sogar  nur zwei Arztstellen, eine davon immer in Tittling.

Friedrich Schmid (in Tittling von 1823 bis 1836)


Ab 1823 gab es in Tittling mit Dr. med. Friedrich Schmid aus Regen den ersten praktischen Arzt mit Universitätsstudium. Sein Vater war „Chirurg“. 1825 heiratete er eine Ledererstochter aus Passau. Er wohnte und praktizierte in einem Haus am Marktplatz. Später wurde an dieser Stelle das Kino Habereder errichtet. Friedrich Schmid starb 1836 im Alter von 45 Jahren in Tittling.

Zwischenbemerkung: In dieser Zeit studierte auch der in Tittling 1808 geborene Maurermeistersohn Michael Wulzinger Medizin. Er wurde Landarzt in Arnstorf und danach Bezirksarzt in Eggenfelden. Er veröffentlichte 1878 das Buch „Beschreibungen des Bezirksamts Eggenfelden“.

Joseph Lang (in Tittling von 1836 bis ca. 1849)
Sein Nachfolger wurde im gleichen Jahr Dr. med. Joseph Lang, dessen Vater Landrichter in Viechtach war. Dr. Lang heiratete 1841 in Tittling die Tochter eines Richters am Berufungsgericht Passau. Ein Töchterchen der beiden starb 1847 und wurde im Friedhof an der Färbergasse beerdigt. 1859 wurde die Leiche exhumiert und zum heutigen Friedhof in der Herrenstraße überführt. Gleiches geschah mit der 1848 in Tittling verstorbenen Gattin Josepha Lang. Bald darauf hat Joseph Lang seine Arztstelle in Tittling aufgegeben,

Friedrich Nolde (in Tittling von 1849 bis 1851)
Der Nachfolger von Joseph Lang war der in Regensburg geborene Dr. med. Friedrich Nolde.

Er trat seinen Dienst in Tittling (vorher Passau) im August 1849 an, hat aber bereits im Mai 1851 Tittling wieder verlassen und eine Stelle als Militärarzt in Landau angenommen. Beim Wechsel dürften finanzielle Gründe eine Rolle gespielt haben. Das Einkommen als Landarzt schwankte. Die Patienten mussten damals die Behandlung selbst bezahlen. Später wurde die Arztstelle durch einen Zuschuss des Bezirks Niederbayern subventioniert.

Seine „sämtlichen Freunde“ aus Tittling bedankten sich im Mai 1851 in einem großen Inserat in der Donauzeitung überschwänglich für die „Aufopferung und Sorgfalt“ für seine Patienten und seine „Umsicht und Geschicklichkeit, womit er mit Hilfe der Vorsehung so viele Patienten aus unserer Mitte dem Tode entriß“.

Mathias Buchhofer (in Tittling von 1851 bis 1852)
Auch die Tätigkeit des praktischen Arztes Dr. med. Mathias Buchhofer in Tittling war von kurzer Dauer. Er wurde im November 1816 in Rain bei Straubing geboren. Buchhofer kam 1851 aus Neukirchen beim Heiligen Blut nach Tittling. Er besaß dort ein Haus mit Badergerechtsame, geeignet für einen Arzt. Im August 1851 bot er es in der Donauzeitung zum Kauf an. Im Oktober 1852 verstarb er nach längerem Kranksein im 36. Lebensjahr in Tittling, beklagt von seiner Witwe Johanna.

 

Sebastian Wallner (in Tittling von 1853 bis 1864)
Ab Anfang 1853 praktizierte Dr. med. Sebastian Wallner in Tittling. Ein Jahr vorher hatte er in Griesbach eine Apothekertochter aus Vilshofen geheiratet. Interessant ist die Berufsbezeichnung beim Heiratseintrag. „Dr. med. und Chirurg und Baderanwesensbesitzer in Griesbach“ Beim Dienstantritt in Tittling war der gebürtige Straubinger 29 Jahre alt. Das erste Kind der Eheleute Julius August wurde 1853 in Tittling geboren.

Bei der Verlagerung des Friedhofs von der Färbergasse in die Herrenstraße spielte ab 1857 Dr. Wallner eine maßgebliche Rolle. Im Jahr 1859 wurde der neue Friedhof eingeweiht.

Ab dieser Zeit gab es immer wieder Dankanzeigen in der Donauzeitung. Im Jahr 1862 bedankte sich der Krämer Johann Eibl aus Witzmannsberg beim hochgeehrten Herrn Doktor Wallner für den unermüdlichen, aufopferungsvollen Einsatz bei der Behandlung seiner kranken Kinder und seiner Ehefrau. So habe er einmal in der Nacht fünfmal den weiten Weg von Tittling nach Witzmannsberg zurückgelegt. Mit „möge der liebe Gott diesen Ehrenmann noch recht lange zum Wohle der leidenden Menschheit erhalten,“ schloss er seinen Dank.

Ein zweites Beispiel zeigt, dass in Bezug auf das Thema Konfliktlösung Parallelen zur heutigen Zeit erkennbar sind. Ein Bauernsohn aus Eging bedankte sich an Heiligabend 1864 bei Dr. Wallner für seinen unermüdlichen Berufseifer und seine anerkannte Geschicklichkeit. Nur dadurch überlebte er den Unglücksfall, „indem durch einen Schuss aus meuchlerischer Waffe mir 46 Schrottkörner in den Unterleib drangen“.

Im Dezember 1864 wurde Dr. med. Wallner nach 12-jähriger Tätigkeit in Tittling nach Deggendorf versetzt. Finanzielle Einbußen nach Errichtung der ersten Apotheke in Tittling zwangen ihn dazu. Auch beim Großbrand im September 1864 kam er zu Schaden.

Zwischenbemerkung: Die Errichtung der ersten Apotheke Ende 1862 in Tittling brachte finanzielle Einbußen für den praktischen Arzt am Ort mit sich. Vorher war Tittling ab 1842 einer der wenigen Orte, an dem ein dafür qualifizierter Arzt eine „Handapotheke“ führen durfte. Mit der Eröffnung der Apotheke erlosch dieses Recht und die Möglichkeit, das Einkommen aufzubessern.. Andererseits war dem Apotheker jegliche medizinische Behandlung untersagt. Das führte in Einzelfällen zu Kompetenzstreitigkeiten.

Joseph Brunnhuber (in Tittling von 1865 bis 1868)
Als Nachfolger von Dr. Wallner wurde 1865 der praktische Arzt Dr. med. Joseph Brunnhuber von Thyrnau nach Tittling versetzt. Schon bald gab es Zwistigkeiten zwischen Arzt und Apotheker und umgekehrt.

Aufgrund einer Anzeige des Apothekers Hohenegger wurde der Arzt Brunnhuber im Juli 1867 wegen der Verabreichung einer Eibisch-Salbe zur Hautpflege und einer Mixtur an seine Patienten zu einer Geldstrafe und zur Übernahme der Prozesskosten verurteilt. Brunnhuber legte Berufung ein. Letztlich landete die Sache beim obersten Gerichtshof. Brunnhuber wurde freigesprochen. Die Eibisch-Salbe gehörte nicht zu den apothekenpflichtigen Medikamenten. Allerdings war die Verabreichung der Mixtur strafbar. Das Gericht hätte diesem Sachverhalt aber nur auf Antrag der Medizinalbehörde nachgehen können. Ein solcher Antrag lag aber nicht vor. Glück für Dr. Brunnhuber!

Anfang 1866 erfolgte eine Anzeige gegen den Apotheker Hohenegger. Dieser soll an einen Bauern in Göttersberg ein Brechmittel ohne ärztliche Verordnung verabreicht haben. In einem Inserat bestritt Dr. Brunnhuber, dass er die Sache angezeigt habe.

Die Gerüchteküche brodelte. Offensichtlich hat der Apothekenhelfer Richard H. den Vorwurf erhoben, Brunnhuber stecke hinter der ganzen Sache. Der Fall landete vor Gericht. Wegen "Ehrenkränkung" wurde der Apothekenhelfer im März 1866 zu einer Geldstrafe von 10 Gulden, der Übernahme der Gerichtskosten und der Verpflichtung, das Urteil in der Passauer Zeitung zu veröffentlichen, verurteilt.

Das waren keine guten Voraussetzungen für eine gedeihliche Zusammenarbeit. Die Bevölkerung war verunsichert. Der Arzt Joseph Brunnhuber verließ Tittling schon nach drei Jahren und nahm eine Stelle in Simbach an.

August Sartorius (in Tittling von 1868 bis 1871)
Dr. med. August Sartorius trat im Mai 1868 seinen Dienst als prakt. Arzt in Tittling an. Sartorius wurde 1842 in Regensburg geboren. Er kam im Mai 1868 von seiner ersten Stelle als Arzt von Weiler/Lindau nach Tittling.
Sein wohlklingender Familienname ist die latinisierte Form des Familiennamens Schneider.

Neben seiner ärztlichen Tätigkeit wurde er zu einem maßgeblichen Mitglied des liberalen Lesekreises. Dieser hatte im Gasthaus Baldini in der Berggasse seinen Treffpunkt. Damals herrschte allgemein eine politisch aufgeheizte Stimmung mit zwei sich unversöhnlich gegenüber stehenden Lagern, insbesondere in Tittling und Umgebung. Sartorius positionierte sich öffentlich und engagiert für die liberale Seite. Im Hinblick auf seine Arztpraxis konnte das nicht gutgehen. 1871 verließ Sartorius Tittling und übernahm die Arztstelle in Ortenburg. Ab 1875 praktizierte er in Velden/Vilsbiburg.

Ludwig Rüth (ganz kurz zum Jahreswechsel 1871/72)
Nur ganz kurz arbeitete der 1843 in München geborene Dr. med. Ludwig Rüth in Tittling. In einem am 22. Dezember 1871 veröffentlichten Inserat gab Rüth seine Praxiseröffnung in der Passauer Zeitung bekannt. Bereits am 7. Januar 1872 teilte er die Aufgabe der Stellung wegen Ernennung zum Bataillonsarzt mit.

Im Inserat vom 7. Januar 1872 hieß es: „Ich kann den Posten bestens empfehlen, 350 Gulden fix und Leichenschau über 5000 Seelen. Baldiger Eintritt eines Herrn Collegen sehr erwünscht.“

Die Arztstelle musste vom Bezirk Niederbayern subventioniert werden. Tittling hatte damals etwa 1850 Einwohner. Der Tittlinger Arzt war auch für die ärztliche Versorgung der Nachbargemeinden zuständig.
Ob die Ernennung zum Bataillonsarzt der einzige Grund für die Praxisaufgabe war? Der Großstädter Rüth kam mitten im Winter nach Tittling und hatte ein weit verstreutes Gebiet mit schlechten Wegeverhältnissen zu betreuen. Rüth verblieb dauerhaft im Militärdienst und war zuletzt im Rang eines Generaloberarztes.

Carl Friedrich Peither (in Tittling von 1872 bis 1888)
In einem Inserat in der Donauzeitung gab der im Jahr 1840 geborene Dr. med. Carl Friedrich Peither im Juli 1872 seine Praxiseröffnung in Tittling bekannt.

In Inseraten wird Peither für seine liebevolle Behandlung der Kranken und seines Einsatzes zu jeder Stunde des Tages und der Nacht gerühmt. Der Privatier Johann Breid aus Trasfelden schrieb 1874, dass er und die ganze Umgebung auf ein noch sehr langes Wirken von Dr. Peither zum Wohle der Kranken hoffen.

Der Witzmannsberger Bürgermeisters Anton Möginger, wohnhaft in „Lug“ lobte im gleichen Jahr den Einsatz von Dr. Peither bei der Behandlung des schwer erkrankten Mathias Dankesreiter im Nachbardorf Waltendorf. Der Arzt habe den beschwerlichen Weg von Tittling nach Waltendorf mehrere Wochen lang bei gutem und schlechtem Wetter zweimal gemacht und stundenlang beim Kranken gewacht. Er bedankte sich als Freund des Nachbarn Dankesreiter, aber auch als „Vorstand der Gemeinde“ bei Dr. Peither für diesen Einsatz und sprach ihm Dank und Anerkennung aus.

Dr. Peither engagierte sich in der ärztlichen Standesvertretung. So war er ab 1882 Vertreter der Ärztevereinigung Passau bei der Ärztekammer von Niederbayern.

Peither war auch im aufkommenden Tittlinger Vereinsleben aktiv. Er war Vorsitzender der 1886 gegründeten Wald-Vereins-Sektion „Drei Waldschlösser“ („Waldvereinssektion zu den drei Schlössern“, heute Sektion Dreiburgenland) mit Sitz in Tittling und Mitglied im Männergesangsverein, Bürgerverein, Feuerwehrkorps und in der Schützengesellschaft.

Dr. Peither verließ Tittling im Juli 1888 und trat die Stelle als Bezirksarzt in Wegscheid an.

Zwischenbemerkungen: Als 1879 Verkaufsabsichten für den Gasthof Baldini, Berggasse 6 bekannt wurden, gab es Überlegungen, hier ein Distriktkrankenhaus (Kreiskrankenhaus) für den Waldteil des Bezirks Passau einzurichten. Dagegen erhob sich starker Widerstand in der Marktbevölkerung. Man befürchtete, dass von dem Krankenhaus ansteckende Krankheiten auf die nähere und weitere Umgebung ausgehen könnten. In der Folge wurde ein Armenhaus errichtet.

Die Einführung der Krankenversicherung für Arbeiter im Juni 1883 unter Reichskanzler Otto von Bismarck kam auch den Patienten und Ärzten zugute. Von diesem Zeitpunkt an waren Industriearbeiter und Beschäftigte in Handwerks- und Gewerbebetrieben krankenversicherungspflichtig. Vorher musste dieser Personenkreis die ärztliche Behandlung selber bezahlen oder griff ersatzweise auf Hausmittel zurück.

Carl Schiffmacher (in Tittling von 1888 bis 1896)
Der praktische Arzt Dr. med. Carl Schiffmacher, geb. 1850, eröffnete am 1. Juli 1888 in Tittling seine Arztpraxis.
Vorher war der aus Trier kommende Schiffmacher in Untergriesbach tätig. In Untergriesbach war er Schützenmeister der dortigen Zimmerstutzenschützengesellschaft.

Bereits am 29. August 1888 wurde Schiffmacher nach Wegzug von Dr. Peither zum neuen Vorsitzenden der „Waldvereinssektion zu den drei Schlössern“ gewählt.

Von einigen seiner Patienten gab es Danksagungen in der Tagespresse.
So lobte 1890 eine Patientin den Arzt für die „geschickte und aufopfernde“ Behandlung. Der Bauer Johann Watzinger aus Pretz dankte dem Arzt 1893 für die Geburtshilfe bei seiner Ehefrau und empfahl Schiffmacher anderen Hilfesuchenden.

1894 bedankte sich der Gastwirt Georg Seider aus Fürstenstein für die ärztliche Hilfeleistung bei der Geburt seines Sohnes.
Und im Juli 1895 bezeichnete der Ökonom Georg Rettenberger aus Weiding Dr. Schiffmacher als seinen Lebensretter und sprach der geschickten und umsichtigen Behandlung seine Anerkennung aus.

Ein Inserat der Gemeinde im Januar 1894, wonach diese einen prakt. Arzt für Tittling suche, wird einige überrascht haben. Da die Arztstelle von Tittling vom Bezirk Niederbayern mit 300 Gulden jährlich unterstützt werden musste, war eine zweite Arztpraxis in Tittling eigentlich kaum denkbar. Über die Gründe des Bürgermeisters Geier kann man nur spekulieren.

Umgehend schalteten Unterstützer Schiffmachers ein warnendes Inserat an potentielle Interessenten. „Aerzten, die auf die ausgeschriebene Stelle reflektieren, diene zur Nachricht, daß der dortige prakt. Arzt, wie wir bestimmt wissen, nicht im Entferntesten daran denkt, seine Stelle zu verlassen und zwar umso weniger, als er das Vertrauen der ganzen Umgebung ebenso besitzt, wie seine Herren Vorgänger.“

Anfang November 1894 sprachen sich in einer gemeinsamen Erklärung die Bürgermeister der fünf Nachbargemeinden für den Arzt Dr. Schiffmacher aus. Sie setzten einen möglichen Bewerber in Kenntnis, „daß die umliegenden Gemeinden mit dem bisherigen bereits seit 6 ½ Jahren in Tittling und Umgebung mit großem Erfolge wirkenden praktischen Arzt vollkommen zufrieden sind und derselbe ihr vollstes Zutrauen genießt“.

Und Schiffmacher legte einige Tage später warnend nach: „Kollegen, welche auf eine zweite Arztstelle in Tittling reflektieren, werden gebeten, sich genau zu informieren.“

Aber es kam anders. Schiffmacher bekam 1895 mit Dr. Wilhelm Rüth Konkurrenz am Ort. Kurze Zeit hatte Tittling zwei praktizierende Ärzte. Im Laufe des Jahres 1896 verließ Dr. Schiffmacher Tittling und nahm 1897 die Stelle als alleiniger Arzt am Krankenhaus Rohr im Landkreis Kelheim an. Das kleine Krankenhaus hatte 11 Betten, die Verweildauer der Patienten betrug im Durchschnitt 16 Tage. Letztlich eine Verbesserung für Schiffmacher.
Mit dem Weggang Schiffmachers von Tittling endeten bis auf weiteres die Aktivitäten der 1886 gegründeten Wald-Vereins-Sektion.

Wilhelm Rüth (in Tittling von 1895 bis 1909)
Mit Dr. med. Wilhelm Rüth (geb. 1863 in Mitterteich) bekam Tittling ab 1. Januar 1895 für 1 ½ Jahre einen zweiten Arzt. Das war nicht zu erwarten, da bereits die erste Arztstelle auf jährliche Unterstützung durch den Bezirk Niederbayern angewiesen war.

Über ein bemerkenswertes Treffen am Abend des Neujahrstags 1895 auf der Englburg berichtete die Donauzeitung. Eine auserlesene Gesellschaft von Tittlinger Herren erschien im Schloss, ihren neuen Herr Doktor (Rüth) in der Mitte. Bei dessen Begrüßung durch den Gastwirt und Bezirksrat Habereder widmete dieser dem zufällig anwesenden alten Arzt (Schiffmacher) „in seiner bekannten vornehmen Weise äußerst gewählte Worte“. Laut Donauzeitung sollte wohl Rüth signalisiert werden, „daß es ihm gut ergehen wird, solange er sich der Protektion solch’ wort- und geldmächtiger Persönlichkeiten erfreut“.

Zwischenbemerkung Ob eine Verwandtschaft zum Arzt Ludwig Rüth besteht, der zum Jahreswechsel 1871/72 in Tittling war, ist unklar. Der 1903 in Passau verstorbene Landgerichtsarzt Wilhelm Rüth (1830, geb. in Mitterteich – 1903) und dessen 1900 verstorbene Ehefrau Anna waren Onkel und Tante zu „unserem“ Wilhelm Rüth. Die Leichenschau führte bei beiden Dr. Rüth mit einem Kollegen durch.

Wegen kursierender Gerüchte stellte Rüth im November 1895 unmissverständlich klar, dass er Tittling nicht schon wieder verlassen habe. Er werde nach wie vor in Tittling bleiben und nicht wegziehen. Wer wegzog war Dr. Schiffmacher, der ab Frühjahr 1896 als alleiniger Krankenhausarzt in Rohr/Kelheim bessere wirtschaftliche Verhältnisse sah.

Rüth gewann schnell das Vertrauen der Bevölkerung. Fünf Tage nach seinem Dienstantritt bedankte sich der Gütler Michael Fuchs aus Saldenburg für die „liebevolle Behandlung und glückliche Heilung“ beim „menschenfreundlichen Herrn Arzt“. Im Juni 1895 war der Bauer Georg Madl aus Pretz voll des Lobes für den „menschenfreundlichen, geschickten, edlen Arzt Dr. Rüth“ nach der Heilung nach schwerem Leiden.
Im Mai 1896 bedankte sich der Hofbesitzer Johann Moser aus Raming/Fürstenstein für die lebensrettenden Maßnahmen bei seiner Tochter. Er kann diesen tüchtigen und menschenfreundlichen Arzt allen Leidenden nur bestens empfehlen.

Im Jahr 1902 war Rüth einer von vielen Spendern für die Brandgeschädigten in Gehersberg. Damals brannten in Gehersberg drei Bauernanwesen ab.

Im Frühjahr 1909 beendete Rüth seine ärztliche Tätigkeit in Tittling. Im Jahr 1910 starb ein Kind der Eheleute Rüth mit 7 Monaten in Tittling.
Im Jahr 1910 trat Dr. Wilhelm Rüth eine Stelle als prakt. Arzt in Weitnau/Allgäu an. Im Jahr 1913 wechselte er nach Roding.

Max Franziß (Arztpraxis in Tittling von 1909 bis 1941)
Dr. med. Max Franziß, geb. 1879 war Sohn des Forstmeisters und Amtsvorstands Max Franziß aus Nittenau/Schwandorf.
Er übernahm nach Wegzug von Dr. Rüth ab April 1909 dessen Arztstelle. Im Oktober 1910 gaben die Eltern Max und Amalie Franziß die Geburt eines Sohnes bekannt.

1912 bedankte sich der Hammerwerksbesitzer Anton Sedlmayr für die erfolgreiche Hilfe in einer lebensbedrohlichen Situation. „Das Vertrauen auf die bekannte Tüchtigkeit unseres verehrten Hausarztes wurde auch diesmal nicht getäuscht.“

Im 1. Weltkrieg wurde Dr. Franziß zum Militärdienst eingezogen. Vertreten werden sollte er ursprünglich vom prakt. Arzt und Geburtshelfer Dr. Beinert aus München. Nachdem Dr. Beinert sehr bald die Vertretung niedergelegt hatte, sprang der Krankenhausarzt Dr. Fischer aus Hutthurm kurzfristig ein. Er hielt jeden Montag-, Mittwoch- und Freitagnachmittag in der Praxis in der Färbergasse Sprechstunden ab.

Franziß war 1921 Mitbegründer der Rot-Kreuz-Bereitschaft in Tittling. Bis 1928/29 war er Bereitschaftsarzt. Im Jahr 1933 wurde er Stabsarzt. Neben den Militärärzten im Vollberuf waren die meisten prakt. Ärzte Reservisten.

1938 beendete Dr. Franziß aus Altersgründen den Rotkreuzdienst. Dr. Franziß verstarb 1941 und wurde am Tittlinger Friedhof begraben. Die Arztpraxis war die ganze Zeit in der Färbergasse 18.

Norbert Muhr (Arztpraxis in Tittling von 1924 bis 1964)
Dr. med. Norbert Muhr, geb. 1887 kam nach dem Studium an der Universität München Ende 1924 nach Tittling. Schon bald errichtete er in der Herrenstraße ein Wohnhaus mit Arztpraxis.

Gleich zu Beginn seiner ärztlichen Tätigkeit trat er in die Rot-Kreuz-Kolonne Tittling ein. Der gehörte er bis zu seinem Tod an. Im Winter 1928/29 löste er Dr. Franziß als BRK-Bereitschaftsarzt ab. Dr. Muhr übte dieses Amt 50 Jahre lang aus.

Den ärztlichen Sonntagsdienst leisteten abwechselnd die beiden Tittlinger Ärzte Franziß und Muhr sowie Dr. Dame aus Fürstenstein.
Nach dem Tod des Baders Franz Riedl (Marktplatz 21) übernahm Dr. Muhr 1939 dessen Stelle als stellvertretender Leichenbeschauer für die Gemeinden Tittling, Witzmannsberg und Neukirchen vorm Wald.

Dr. Muhr war von 1939/40 bis 1944 im Fronteinsatz, als Oberstabsarzt wurde er entlassen. In dieser Zeit vertrat ihn u. a. Frau Dr. Koniszewski. Nach dem 2. Weltkrieg nahm Dr. Norbert Muhr wieder die Praxistätigkeit in der Herrenstraße auf und übergab sie 1964 an seinen Sohn Dr. Hermann Muhr. Norbert Muhr verstarb im Dezember 1978.

Schlussbemerkung: Im Kriegslazarett Englburg für leichter Verwundete arbeiteten von 1941 bis 1945 mehrere auswärtige Ärzte. Ärztlicher Leiter war Dr. Koniszewski aus Passau. Von 1945 bis 1950 war Englburg ein Krankenhaus für Lungenkranke.

Herbert Zauhar 04.2024